Kann ich einen Vorschuss vom Arbeitsamt erhalten und wie kann ich meinen Arbeitgeber zur Herausgabe der Arbeitgeberbescheinigung zwingen?
Frage an Rechtsanwalt Drewelow (Rostock) vom 1. 2. 2011
Ich bin seit zwei Monaten arbeitslos. Mein damaliger Arbeitgeber hat es bislang nicht geschafft, mir die Arbeitgeberbescheinigung und die sonstigen notwendigen Papiere zu übersenden. Ich bin jedoch darauf angewiesen, dass ich dem Arbeitsamt diese Papiere vorlegen kann, damit mein Antrag auf Arbeitslosengeld abshließend bearbeitet werden kann. Zuvor erhalte ich keine Leistungen vom Arbeitsamt. Mein Geld wird langsam knapp und ich weiss nicht wie ich die anstehenden Zahlungen tätigen soll. Der Arbeitgeber begründet die lange Dauer damit, dass ja der Hauptsitz der Firma in Paris ist. Daher würde das Ausfüllen der Papiere und die Zusendung länger dauern. Die Sachen könnten wohl auch nur dort bearbeitet werden. Kann ich nicht vom Sozialamt vorübergehend ein Darlehen erhalten? Oder kann die Agentur für Arbeit mir einen Vorschuss gewähren? Da muss es doch Möglichkeiten geben. Was soll ich am besten tun?
Antwort von Rechtsanwalt Drewelow (Rostock)
Ihr Promlem sollte auf zwei unterschiedlichen Wegen in Angriff genommen werden:
Erst einmal haben Sie einen Vorschussanspruch gegenüber dem Leistugserbringer Arbeitsamt aus dem § 42 SGB I. Nach der Vorschrift kann ein Leistungsträger Vorschüsse in einer nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzenden Höhe auszahlen. Dieses Anspruch hat zur Voraussetzung, dass ein Antrag auf die Sozialleistung bereits gestellt worden ist und dass der Anspruch auf die Sozialleistung dem Grunde nach auch besteht – dass lediglich bezüglich der Höhe noch genauere Bezifferungen nötig sind.
Genau diese Voraussetzungen erfüllz Ihr Fall: Wegen der Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung ist klar, dass Sie Ansprüche auf Arbeitslosengeldleistungen haben werden.
Fehlen tut lediglich die Möglichkeit der genauen Bestimmbarkeit der Anspruchshöhe aufgrund der noch ausstehenden Arbeitgeberbescheinigung.
Die Vorschussbestimmung ist jedoch eine Ermessensbestimmung. Das heisst, die Agetur für Arbeit hat einen Ermessensspielraum bei der Frage, ob der Vorschuss gezahlt wird oder nicht.
Jedoch sind bei der Ausübung des Ermessens durch die Notwednigkeit der Einhaltung verschiedener Rechtsgrundsätze Grenzen gesetzt. So kann das Ermessen nicht willkürlich ausgeübt werden.
Bei der Ausübung muss daher der Grad der Notwendigkeit der Zuwendung an Sie und das Fehlen eines eigenen Verschuldens eine Rolle spielen.
Sie führen aus, dass Sie Gefahr laufen, Ihre Miete nicht bezahlen zu können und das die Mittel für Versorgung mit Grundbedürfnissen wie Nahrungsmittel knapp werden.
Die Notlage bei Ihnen ist daher bereits erheblich, was die Schutz- und Einstandspflicht des Staates auf den Plan ruft.
Zudem trägt auch das weitere Kriterium des fehlenden eigenen Verschuldens dazu bei dass das Ermessen hier auf Null reduziert sein wird und ein Vorshuss gewährt werden muss.
Haben Sie Ihrem Arbeitgeber sämtliche Unterlagen unverzüglich zugesandt, haben, so haben Sie alles in Ihrem Einwirkungskreis erdenklich mögliche getan, um die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug zu erbringen.
Weiteres Kriterium zur Vergabe von Vorschüssen ist noch der Gleichbehandlungsgrundsatz. Danach müssen verschiedene Leistungsbezieher bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen gleich behandelt werden.
Die zuständige Behörde hat Ihnen daher einen Vorschuss zu bewilligen. Die Zahlungen werden dann auf die tatsächlichen Leistungen angerechnet.
Hierzu müssen Sie einen entsprechenden Antrag stellen. Sie müssen den Antrag auch begründen. Hier sollten Sie auf das fehlende Verschulden hinweisen und auch die eigenen Bemühungen zur Erwirkung der Arbeitgeberbescheinigung darlegen. Natürlich müssen Sie auch über Ihre Bedürftigkeit Rechenschaft abgeben.
Daneben ist der ehemalige Arbeitgeber nach § 58 SGB II zur unverzüglichen Aushändigung der Arbeitgeberbescheinigung verpflichtet.
Das Wort unverzüglich wird in § 121 BGB definiert. Es bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Hiermit ist eine Art gemeint, die es verbietet, dass ein solches Formular auch nur einen Werktag unangerührt auf dem Schreibtisch des Arbeitgebers ruht.
Dabei hat der Arbeitgeber selbst dafür zu sorgen, dass die Verfahrensabläufe in dem Unternehmen so gestaltet sind, dass solche Pflichten in entsprechenden Zeiten erfüllt werden. Gesetzlich ist leider keine genaue Zeitangabe festgeschrieben. Es ist tatsächlich so, dass die Fälligkeit der Erfüllung der Ausfüllpflicht nach hinten rückt, wenn wenn es dem Arbeitgeber nur mit Schwierigkeiten verbunden ist, die Bescheinigung zügig auszufüllen.
Zwei Monate stellen aber bereits eine zu Lange Wartezeit dar. Schwierigkeiten, die ein Ausfüllen innerhalb von zwei Monaten verhindern würden, sind nicht mehr plausibel darlegbar. Auch wenn Firmensitz Paris ist, werden keine zwei Monate auf dem postalischen Weg benötigt.
Hier liegt keine unverzügliche Vorgehensweise vor.
Nach § 62 SGB II ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der vorsätzlich oder fahrlässig eine Arbeitsbescheinigung nicht ausfüllt oder verzögert. Ihr ehemaliger Arbeitgeber ist Ihnen daher zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher kann Ihnen dadurch entstehen, wenn Sie keine Leistungen aus dem Arbeitslosengeld erhalten und daher zum Beispiel Zinsen für Kredite zahlen müssen.
Auch höhere Kosten wegen zu später Mietzahlungen stellen Schadenspositionen dar.
Sie sollten Ihren Arbeitgeber zur unverzüglichen Übersendung der Bescheinigung auffordern und ansonsten Schadensersatz von ihm fordern.
Haben Sie weitergehende Fragen zum Thema Arbeitsbesheingung oder allgemein zum Arbeitslosengeldbezug, kontaktieren Sie uns bequem über unser Kontaktformular. Wir werden uns dann zeitnah und unverbindlich mit Ihnen in Verbindung setzen.